Macron als internationaler Staatsmann

September 2, 2019

Die Treffen der sieben grössten westlichen Wirtschaftsmächte sind seit Amtsantritt von Präsident Trump zu diplomatischen Gratwanderungen geworden. Am Gipfel in Biarritz Ende Juli hat Gastgeber Macron nicht nur die Neutralisierung des Elefanten im Glas- rsp. Weissen Haus fertiggebracht, sondern auch zentrale Themen, die Trump verabscheut, prominent in Erinnerung gerufen.

Die G-7 Gruppe (USA, Kanada, Japan, UK, BRD, Frankreich, Italien; plus der Rats- und der Kommissionspräsident der EU) ist als G-8 – damals noch mit Russland, das in der Folge seiner Besetzung der Krim und der Ostukraine ausgeladen wurde – geschaffen worden, um auf höchster Ebene der traditionellen westlichen Grossmächte Krisen zu entschärfen, die Weltwirtschaft voran zu bringen und zentrale Themen in die Erinnerung von Regierungen und Öffentlichkeit zu rufen.

Seit Trump daran teilnimmt sind die G-7 Treffen oft ins Gegenteil ihrer ursprünglichen Funktion verkehrt worden. Sie schaffen neue Probleme, anstatt bestehende zu lösen. Trump twittert, spielt den Trotzkopf, reist früher ab und verhindert gemeinsame Erklärungen. Dieses Jahr hatte sich der G-7-Gipfel speziell unheilvoll gekündet: Trump gerät im dritten Regierungsjahr vollends ausser Kontrolle, der Kanadier Trudeau hat mit internen Problemen zu kämpfen, der Japaner Abe gebärdet sich immer mehr, so im Moment gegenüber Korea, als eingefleischter Nationalist und die teilnehmenden Europäer sind, bis auf eine Ausnahme, momentan führungsgeschwächt. Deutschland im Übergang zwischen zwei Kanzlerinnen, das UK im Ausnahmezustand vertreten durch den Politclown Johnson, Italien am Scheideweg zwischen herkömmlicher Demokratie und autoritär geführtem Staat, die EU-Spitze in voller Wachtablösung.

Glücklicherweise betraf die Ausnahme den Gastgeber. Macron, von vielen ausländischen Betrachtern innenpolitisch unter Druck porträtiert, dominiert die politische Szenerie unseres westlichen Nachbarlandes ziemlich unangefochten, wie auch die spärliche Kontestation um Biarritz herum zeigte. Er war der einzige Europäer, der bereits im Vorfeld begann, zwei dringende Weltprobleme proaktiv ins Programm, damit in die Publizität, des G-7 Gipfels zu drücken, welche Trump zutiefst missfallen mussten: Nukleare Bedrohungen im Mittleren Osten sowie Umwelt und Klima, damit das Pariser Abkommen.

Der Kurzbesuch des iranischen Aussenministers in Biarritz hat nachdrücklich in Erinnerung gerufen, dass die aktuellen Spannungen im Persischen Golf, ebenso wie ein vertragsloser Zustand mit Iran und damit dessen mögliche Entwicklung von Nuklearwaffen schwergewichtig auf die amerikanische Kehrtwende unter Trump gegenüber dem Nuklearabkommen von 2015 zurückzuführen sind. Zwar wird der Kriegstreiber im Weissen Haus, Sicherheitsberater John Bolton, damit wohl nur temporär zurückgebunden aber jeder Aufschub, um dem ja an sich isolationistisch veranlagten Trump die Gravität eines heissen Konfliktes im Golf vor Augen zu führen ist willkommen.

Laut sich verdichtenden Meldungen wurden die im Sommer grössere Teile des Regenwalds im Amazonasgebiet vernichtenden Waldbrände durch dem brasilianischen Präsident Bolsonaro politisch nahestehende Grossgrundbesitzer ausgelöst. Um mehr Weide- und Anbaugebiet für Agrarexporte zu gewinnen. Solche sind ein wichtiger Teil des eben abgeschlossenen Freihandelsvertrages zwischen den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay einerseits und der EU andererseits.

Bekanntlich hat im Nachvollzug auch die Schweiz, via gewohnte EFTA-Plattform, einen solchen Vertrag mit dem Mercosur ausgehandelt. Dessen Ratifizierungsprozess wird wohl jenem des EU-Vertrages folgen.

Allein schon aus innenpolitischen Gründen konnte Macron nicht anders als – im Tandem mit dem ebenso energischen Premierminister Irlands – den EU-Mercosur Vertrag zu blockieren ohne brasilianisches Zugeständnis, dass der schwindende Regenwald ein Weltproblem darstellt, keinen innenpolitischen Spielball von Brasilien. Unter Wehklagen über vermeintlichen Neokolonialismus und andauernden Unflätigkeiten gegenüber Macron, scheint der Rechtsaussen in Brasilia nun doch geneigt, ausländische Hilfe zur Erhaltung des Regenwaldes zu akzeptieren, allenfalls via lateinamerikanische Nachbarn. Zentrale Exportinteressen brachten ihn zur Raison.

Immerhin ist ‘Amazonas’ durch dieses mutwillige brasilianische Spiel mit dem Feuer so zu einem Schlüsselbegriff für die Notwendigkeit des Pariser Klimaabkommens geworden und steht damit hoffentlich noch vermehrt unter internationaler Beobachtung.

Einen G-7 Gipfel ohne grössere Kalamität zu Ende zu bringen ist in der Ära Trump bereits eine Leistung; dies scheint in Biarritz gelungen zu sein. Ob die eher vagen Absichten, so ein direktes Treffen zwischen den iranischen und amerikanischen Präsidenten Wirklichkeit werden, ist abzuwarten. Und sogar wenn, die inhaltsleeren Treffen Kim-Trump haben gezeigt, dass Gipfeldiplomatie ohne substantielle Vorbereitung und ohne Kompromissbereitschaft im besten Fall Schall und Rauch sind. Schlimmer noch: sie wecken Erwartungen, deren Nichterfüllung Lösungen umso schwieriger erscheinen lassen.

Eine für ihn typische Duftmarke hat der amerikanische Präsident in Biarritz immerhin gesetzt. Laut ihm soll der turnusgemäss den USA zufallende G-7 Gipfel 2020 auf einem Trump Golf Gelände in Florida stattfinden. Er hofft wohl, so der ‘Trump Inc.’ über sein Ausscheiden als Präsident hinaus eine staatsmännische Aura zu geben. Viele wünschen ihm diesen Erfolg schon ab 2021.

Picture: GPA Photo Archive