MAGA, Kipppunkt der globale Geopolitik 2024
MAGA – Make America Great Again. Die durchaus mögliche Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA im November 2024 würde zu einem globalen, politischen und wirtschaftlichen Erdbeben führen.
Noch ist er nicht gewählt. Auch der alte Mann Joe Biden kann Trump schlagen, wenn eine vernünftige Mehrheit in strategischen US-Bundesstaaten mit Blick auf seinen soliden Leistungsausweis den Amtsinhaber wiederwählt, und nicht das unsinnige, teilweise gefährliche – I will squash my opponents like vermin – MAGA-Grossmaul. Hier sollen aber nicht Spekulationen über die US-Wahlen angestellt werden, eingeschlossen einer nicht völligen unmöglichen Paarung Nikki Haley für die Republikaner gegen Biden oder Vizepräsidentin Kamala Harris oder Gavin Newsom, demokratischer Gouverneur von Kalifornien,. Sondern die Herausforderungen einer Wahl Trumps skizziert werden, welche sich Europa stellen werden. Der geopolitische Horizont hat sich in einem Masse verdunkelt, welches blosses Abwarten gekoppelt mit business as usual nicht mehr zulassen wird.
Die Kriege
Der grösste ausländische Fan Trumps ist Putin. Er vertraut darauf, dass der Narzisst Trump einen deal akzeptieren wird, welcher die teure und zunehmend unpopulärere, amerikanische Unterstützung der Ukraine beenden und ihm die Rückkehr in die internationale Politik erlauben würde, unter Beibehaltung zumindest eines Teils seiner völkerrechtswidrige Annexion von Gebieten des Nachbarlandes. Trumps damaliges Techtelmechtel mit dem Nordkoreaner Kim hatte gezeigt, dass er für einen Moment als dealmaker im internationalen Scheinwerferlicht bereit ist, demokratische und rechtsstaatliche Bedenken über Bord zu werfen.
Damit würde Europa zum wichtigsten Pfeiler demokratischer und rechtsstaatlicher Unterstützung der Ukraine – und damit der Abwehr russischer Aggression generell in Osteuropa – eingeschlossen dem Imperativ für gewaltig steigende Rüstungstransfers. Einer Aufnahme der Ukraine in die NATO würde Trump allenfalls zustimmen, aber auch hier die Begleichung der entsprechenden Rechnungen primär Europa überlassen. Umso dringender wird der rasche Ausbau der sicherheitspolitischen EU; allenfalls braucht es dazu einen gewaltigen Schock, hier die Wahl Trumps, um die in diesem Bereich speziell festgefahrenen, nationalen Widerstände in Europa aufzuweichen. Die EU wird sich bei der Bewältigung dieser monumentalen Aufgabe nach möglichst breiter Unterstützung umsehen. Was Norwegen und die Schweiz in den Blickpunkt rückt. Als Mitglied von NATO und Teil des EWR tut Oslo bereits viel für Europa. Die Schweiz nicht. Gegenüber epochalen Entwicklungen wie dem Rückzug einer MAGA-USA auf sich selbst werden helvetische Spezialitäten in Europa wie rituelle Neutralitäts-Beschwörungen oder das Bestehen auf vertraglichen Lappalien wie etwa Spesenentschädigungen für europäische Arbeitnehmer in den Hintergrund rücken müssen.
Schwieriger sind Prognosen für eine Trump-Präsidentschaft im Nahen Osten. Trump dürfte die Unterstützung für Israel fortsetzen. Zu gross ist der parteiübergreifende Konsens dazu im US-Kongress. Was aber der Krieg Israel-Hamas exemplarisch zeigt, ist die Nutzlosigkeit von business deals wie den noch von der Trump-Administration aufgegleisetn Abraham Abkommen, welche mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dessen Reaktion weggefegt wurden von den im Nahen Osten unter der Oberfläche brodelnden, irrationalen Leidenschaften, welche bei jedem Anlass gewaltsam ausbrechen.
Wirtschaft
Während seiner ersten Präsidentschaft war Trump, neben gefährlichen Ideologen wie Steve Bannon, umgeben von konservativen, aber nicht verrückten Schwergewichten. Darunter auch Wirtschaftsgrössen wie etwa dem ehemaligen Präsidenten von Exxon Mobil Rex Tillerson; sie dienten aus Pflichtbewusstsein, auch wenn sie Trump als dumm und amtsunfähig einschätzten. Tillerson meinte nach dem ersten Treffen: he is a f… moron. Davon wird während einer zweiten Amtszeit nichts übrig bleiben. Trump wird sich wohl mit einem Gruselkabinett von nibelungentreuen Extremisten umgeben, die sich primär dafür einsetzen werden, dem starken Mann anzudienen und ihm zu huldigen.
MAGA wird einen bestehenden, für Wirtschaft und Gesellschaft wichtigen Megatrend gewaltig verstärken. Die Abschottung der amerikanischen Technologieindustrie wird sich nicht länger nur gegen China richten – was aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt sein kann – sondern gleichermaßen auch gegen den Rest der Welt, insbesondere Europa. Bei den äusserst komplexen, aber für die Fortdauer eines demokratischen und wertebasierten Westens entscheidenden Fragen von staatlicher Subventionierung und Regulierung von Technologien, eingeschlossen der Künstlichen Intelligenz, werden sich die kommerziellen Gräben vertiefen wie wir das schon in den 1930er Jahren erlebt haben: beggar thy neighbour.
China
Wenn etwas, wird Trump die bilateralen US Massnahmen gegen China fortsetzen und noch verstärken. Einmal, weil auch hier ein breiter Konsens in Washington besteht, dass Beijing immer mehr vom Konkurrenten zum Gegner wird. Zudem ist zweitens nicht anzunehmen, dass Xi Jinping im Rahmen eines der berüchtigten Trump’schen deals wirkliche Zugeständnisse machen würde, etwa in seiner Absicht bald einmal Taiwan heim ins Reich zu holen.Auch hier können die im Rückblick politisch und rüstungstechnisch kontraproduktiven Begegnungen von Trump mit Kim als Illustration dienen. Ein Konflikt um Taiwan, der sich durchaus zum globalen Flächenbrand ausweiten könnte, ist während einer möglichen Amtszeit eines US-Präsidenten 2024-2028 leider nicht auszuschliessen.
Europa wird nach einem Wahlsieg von Trump schneller als erwartet und darum wenig vorbereitet über den Kurs der gemeinsamen Chinapolitik entscheiden müssen. Primär Handel und Dienstleistungen mit eher kurzfristigen Gewinnchancen wegen chinesischem Fortschritt und unlauterem Geschäftsgebaren – Automobile sind ein Beispiel – oder doch ein primär an westlichen Werten und bisherigen weltwirtschaftlichen Usancen orientierte Aussen- u n d Wirtschaftspolitik.
Ebenso wie in ihrer Ukrainepolitik wird sich die Schweiz entscheiden müssen, ob sie sich im Rahmen von solchen Blockbildungen, eingeschlossen der Gefahr von amerikanischen Massnahmen gegen westliche ‘Blockadebrecher’ gegenüber China, einen wirtschaftspolitischen Alleingang nach Beijing wirklich leisten kann. Das bilaterale Freihandelsabkommen mit China würde so zum handelspolitischen Mühlstein für Bern und zum ideologischen Vorzeigeprodukt für Beijing.
Keine Alternative
Die bequeme Alternative, sich irgendwie mit Trump zu arrangieren, im schlechtesten Fall die traditionelle westliche Politik für vier Jahre einzufrieren, besteht nicht mehr. Man weiss spätestens seit seinem versuchten coup d’état im Januar 2021 zu was Trump fähig ist; falls er als Präsident alle Machtmittel in seiner Hand hat, ist das Schlimmste zu befürchten. Eingeschlossen, was Sinclair Lewis in den 1930er Jahren in seinem wichtigsten Werk It can’t happen here vorgezeichnet hat: Zumindest der Versuch, in den USA eine faschistische Ein-Mann-Herrschaft zu errichten. Die eingangs zitierte Anlehnung Trumps an nazistische Parolen – Gegner sind auszurottendes Ungeziefer – weist in diese Richtung.
Picture: Gilbert Mercier