Iran gegen Saudiarabien, Einfluss der USA

December 22, 2017

Schiiten gegen Sunniten: ein religiöser Glaubenskrieg? Perser gegen Araber: ein ethnischer Krieg? Es geht um die alte Frage der Vorherrschaft am Persischen Golf. Iran ist im Aufstieg und Saudiarabien hat erkannt, dass es der Verlierer sein wird. Die Stellvertreterkriege in Syrien, Irak und Jemen sind Vorboten einer direkten Auseinandersetzung zwischen Iran und Saudiarabien. Der Einfluss der USA nimmt ab.

Die Episode „Hariri tritt in Saudiarabien als libanesischer Regierungschef zurück“, gefolgt von der Episode „Hariri zurück in Libanon bleibt im Amt des libanesischen Regierungschefs“ öffnet den Weg zu einem besserem Verständnis einer stets verwirrlichen politischen Situation im Vorderen Orient. In der Golfregion lagern die bedeutendsten Energiereserven in Form von Erdöl und Erdgas. Zum Teil liegen diese Reserven eindeutig auf dem Staatsgebiet der einzelnen Golfstaaten, zum Teil liegen sie unter dem Golf, wo die staatlichen Grenzen zur See naturgemäss weniger eindeutig festzumachen sind. Ein grosses Gasfeld im Golf wird deshalb einvernehmlich gemeinsam von Qatar und Iran ausgebeutet. Der Auftritt des „Islamischen Staates“ in Irak ab 2011, der amerikanisch-britische Golfkrieg von 2003 in Irak, der Golfkrieg einer internationalen Koalition gegen Irak zur Befreiung von Kuwait von 1992, die Invasion Saddam Husseins in Kuwait 1991, der achtjährige Krieg Saddam Husseins gegen Iran von 1980 bis 1988: bei allen Kriegen ging es um die Vorherrschaft am Golf. Wer die Vorherrschaft hat, entscheidet strittige Fragen der Ausbeutung der Energiereserven der Region.

Iran bis 1979 unter der Herrschaft des Pahlavi-Schahs war in einer Allianz mit den USA und Israel die Hegemonialmacht am Golf. Mit der Islamischen Revolution in Iran unter Khomeini 1979 isolierte sich Iran von allen Mächten der Region. Politisch war es eine Abkehr vom Säkularismus der Pahlavis, ideologisch eine Absage an alle kolonialen und postkolonialen Einflüsse in der Region, konfessionell eine Wiederbelebung der Schia ausserhalb Irans und strategisch eine Aufkündigung aller Allianzverpflichtungen. Einzig Syrien, von einer alawitischen, also Schia-nahen, Familie regiert, verblieb als strategischer Partner Irans. Mit der Auslösung des irakischen Aggressionskrieges gegen das vermeintlich von der Revolution geschwächte Iran durch Saddam Hussein fiel Iran in eine noch grössere Isolation, die sich mit der Entdeckung eines geheimen iranischen Nuklearprogramms von 2003 bis 2015 und dadurch ausgelösten internationalen Sanktionen noch verstärkte.

Die amerikanisch-britische Invasion in Irak 2003 war der Beginn einer Wende. Die staatlichen Strukturen der Saddam-Herrschaft wurden zerstört, aber nicht durch taugliche neue Strukturen ersetzt. In freien Wahlen kam die bisher unterdrückte Minderheit der Schiiten in Bagdad an die Macht, ohne jedoch der entmachteten und empörten Volksgruppe der Sunniten einen annehmbaren neuen Platz im Staat zu geben. Die staatliche Einheit und Ordnung zerfiel. Das war die Einladung an die saudisch inspirierte und lange auch finanzierte islamistische Bewegung, den Irak zu infiltrieren und die kurzlebige Schreckensherrschaft des sog. „Islamischen Staates“ aufzubauen und in den ebenfalls in Auflösung begriffenen Nachbarn Syrien auszudehnen.

Iran eröffnete sich mit einer schiitischen Regierung in Bagdad die Möglichkeit, politisch und militärisch Einfluss auf das Nachbarland zu nehmen. Mit der Unterstützung des alawitischen Regime Assads in Syrien und mit dem Ausbau der politischen und militärischen Beziehung zur Schiitenpartei des Hizbollah in Libanon und der Unterstützung der arabischen Schiiten in Kuwait und Bahrain ist es Iran gelungen, eine territorial zusammenhängende Einflusszone zu schaffen, die mit der aktiven Mitwirkung im syrischen Bürgerkrieg erfolgreich verteidigt worden ist. Die von Strategen „Schiitenbogen“ oder „Schiitenriegel“  genannte iranische Einflusszone von Südlibanon über Syrien und Irak bis Kuwait stellt in der Tat eine territoriale Verbindung vom Mittelmeer bis zum Golf dar, die von sunnitisch regierten Staaten der Region als Bedrohung ihrer strategischen Lage und am Golf selber als existenzielle Bedrohung ihrer demokratisch nicht-legitimierten Herrschaft empfunden wird. Saudiarabien als Führungsmacht der arabischen Golfstaaten hat die existenzielle Bedrohung längst erkannt, schien aber bis vor kurzem nicht in der Lage, aus einer starren internen Herrschaftsstruktur heraus flexibel auf die sich wandelnden Verhältnisse zu reagieren. Mit der Ernennung von Mohammed bin Salman, eines Kronprinzen der nächsten Generation im Königshaus, als Regierungschef drückt die saudische Führung die Hoffnung aus, aktiver auf den Wiederaufstieg Irans als regionale Hegemonialmacht zu reagieren. Saudiarabien führt bereits seit einigen Jahren Stellvertreterkriege gegen Iran überall, wo sich schiitische Minderheiten, im Falle von Bahrain sogar die Volksmehrheit, gegen sunnitische Herrschaftshäuser auflehnen. Dieser Kampf ist aber von politischen und militärischen Niederlagen begleitet. Der ursprünglich saudisch inspirierte und finanzierte „Islamische Staat – IS“ ist in Irak und in Syrien gescheitert, nachdem er sich vorher noch gegen Saudiarabien selber gerichtet hatte. Syrien ist zerstört, aber fest in der Hand der alawitischen Herrschaft. Der Kampf gegen das Chaos in Syrien und Irak hat den Wiederaufstieg Irans wesentlich begünstigt und mit Russland einen neuen Verbündeten Irans mit eigener strategischer Agenda in die Region zurückgebracht. Im Libanon, schliesslich, hat sich die fein austarierte Herrschaftskoalition mit einer starken schiitischen Partei in der Regierungsverantwortung und einem Sunni, Hariri, als Regierungschef gegen eine saudische Intrige durchgesetzt und über allem ist der Ausschluss der vormals übermächtigen auswärtigen Hegemonialmacht USA von den zukunftsweisenden Syriengesprächen zwischen Assad, Russland, Iran und der Türkei von historischer Bedeutung. Die USA hat sich unter der Führung von Präsident Trump vollständig auf die Seite Saudiarabiens geschlagen und verliert damit zusehends an Einfluss im aktuellen Machtpoker in der Region.

Picture: Saeed Farahani