Trump’s give, Kim’s take, eine Nachlese zum Gipfel in Singapur.
Eine Verhandlung besteht aus beidseitigem Geben und Nehmen, ‘give and take’ eben. Je mehr sich beides im Gleichgewicht befindet, je eher wird ein positives Resultat möglich. Positiv im Sinne einer nachhaltigen Lösung jenseits von temporären Eitelkeiten und Gipfelhype. Das erstmalige Treffen Trump-Kim in Singapur vom 12.6.18 wird kaum als Erfolg in die Geschichte eingehen, da Trump viel, Kim wenig gegeben hat.
Zwei Ebenen sind mit Blick auf den Gipfel zu unterscheiden, das Atmosphärische und die Substanz. Die Atmosphäre rund um ein solches Treffen spielt durchaus eine Rolle, also alle Bilder von Inszenierung und Ablauf der gemeinsam bestrittenen Auftritte, die Körpersprache der Hauptakteure, ihre Aktivitäten neben dem offiziellen Teil und zahlreiche weitere Äusserlichkeiten.
Für Kim war der erstmalige Auftritt eines nordkoreanischen Diktators gleichberechtigt neben dem ‘Chef der freien Welt’ ein grosser Erfolg. Alle amerikanischen Präsidenten vor Trump sahen dies als erste grosse Konzession, die nur gegen substantielle Gegenleistungen möglich gewesen wäre. Solche hat Trump offensichtlich weder nachgefragt, noch erhalten. Dafür konnte er sich im globalen Glanz eines ‘Friedensgipfels’ sonnen, was für ihn aus wahlkampfbedingten Gründen zuhause wichtig war.
Für Kim stellte die ausführliche Inszenierung des Gipfels vor der asiatischen Traumkulisse von Singapur im nordkoreanischen Staatsfernsehen ein gewisses Risiko dar. Seine Untertanen haben sich angesichts dieses erstmal autorisierten Blicks auf die unterschiedliche Entwicklung in einem asiatischen Nachbarland ihre eigenen Gedanken gemacht. Wohlstand auf individueller Ebene ist offensichtlich auch ohne endlose Entbehrungen und pompöse Massenhysterie möglich. Weiter haben sie sich wohl die Augen gerieben, als ihr ‘geliebter Führer’ dem eben noch als Weltschurke verteufelten Trump lächelnd die Hand gereicht hat. Das dürfte eine erneute Diabolisierung eines amerikanischen Präsidenten selbst für totalitär getrimmte Nordkoreaner unglaubwürdig machen.
Im Atmosphärischen kann damit das Resultat als ein Unentschieden gewertet werden. Ganz anders hingegen in der Substanz. Da hat der ‘kleine Fettsack’ den ‘dicken Idioten’ (beides Originalton Trump rsp. Kim noch vor wenigen Monaten) eindeutig über den Tisch gezogen.
Die nukleare Aufrüstung Nordkoreas, welche seine Nachbarn, die USA und den Rest der Welt direkt bedroht zuerst. Da hat Trump überhaupt nichts Konkretes erreicht. Es wurde im Vorfeld und am Gipfel selbst offensichtlich weder über den Zeitplan, noch die Verifizierung der Abrüstung und auch nicht deren – immense – Kosten gesprochen, geschweige denn verhandelt. Da stehen Jahre härtester Verhandlung bevor. Zudem wird trotz Abwracken nordkoreanischer Nuklearwaffen das entsprechende know-how in den Köpfen von Tausenden nordkoreanischer Physiker, Ingenieure und Technikern erhalten bleiben.
Ebenso wenig ist von der amerikanischen Versicherung zu halten, dass die Sanktionen aufrechterhalten würden, bis die nordkoreanische Abrüstung vollständig sei. Welche Sanktionen? Solche sind nur wirksam, wenn sie wirklich befolgt werden. Das ist vor dem Gipfel mehr oder minder geschehen, weil sich auch der übermächtige Nachbar Nordkoreas, China, beteiligt hat.
Es ist kaum anzunehmen, dass Beijing sich ein zweites Mal von den Selbstdarstellern Trump und Kim in den Schatten stellen lässt. Präsident Xi wird den Sanktionshahnen inskünftig nach rein chinesischen Überlegungen auf- und zudrehen. Im eher unwahrscheinlichen Fall, dass sich Kim zu stark in Richtung von Südkorea und speziell dessen System bewegen sollte, hat Beijing so alle Trümpfe in der Hand, um Druck auszuüben. Im gegenteiligen Fall, also der ja seit dem Koreakrieg geltenden grundsätzlichen Anlehnung Nordkoreas an das Reich der Mitte, gilt das ohnehin.
Es sei denn, Trump mache Ernst mit der ja von ihm immer propagierten ‘America First’-Politik. Ein erster Schritt hat er mit der Absage von koreanisch-amerikanischen Routine-Manövern bereits getan. Sollte er tatsächlich den Abzug amerikanischer Truppen aus Korea als ernsthaftes Verhandlungsangebot gegenüber nordkoreanischer Denuklearisierung auf den Tisch legen, wäre dies primär für China ein Grosserfolg. Keine direkte amerikanische Umzingelung auf dem asiatischen Festland mehr! Allein ein solches Szenario würde in chinesischen Augen eine Entlassung Nordkoreas in eine kapitalistische Entwicklung eigener Prägung rechtfertigen.
Hier liegt der Hauptgrund, warum der Gipfel unter der Oberfläche internationaler Erleichterung ob dem Ende des amerikanisch-nordkoreanischen Säbelrasselns in Südkorea gemischt, in Japan mit hörbarem Zähneknirschen aufgenommen worden ist. Beide brauchen die amerikanische Präsenz in Korea. Seoul als Stolperdraht im Falle eines konventionellen nordkoreanischen Angriffs und Tokio als Sicherung seiner nördlichen Flanke beim japanischen Versuch, durch den Pazifik (Australien) und den Indischen Ozean eine Achse zu Delhi aufzubauen, zur Eindämmung chinesischer Hegemonie im Grossraum Asien-Pazifik.
Falls Trump gar auf seiner Linie ‘America First’ im ähnlichen Sinne auch gegenüber China fortfahren sollte, und den amerikanischen Militäranker in Japan gegen Handelskonzessionen von Beijing einzuholen bereit wäre, würde sich wohl Tokio ernsthaft eigene Nuklearbewaffnung überlegen. Damit würde eine weitre verhängnisvolle Drehung der Aufrüstungsschraube im Grossraum Asien-Pazifik ausgelöst.
Schliesslich wurden von Trump auch weitere zentrale Punkte einer allfälligen Einigung mit Nordkorea offensichtlich nicht einmal aufs Verhandlungstapet gebracht, geschweige denn als Preis amerikanischer Konzessionen bezeichnet. An erster Stelle müssen hier die Menschenrechte erwähnt werden. Der Familienklan der Kims – Grossvater, Vater und Sohn Kim Jong-un haben sich schwerster Verbrechen gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung schuldig gemacht. Zehntausende wurden, und werden umgebracht und in den Hungertod getrieben, Hunderttausende in Konzentrationslager festgehalten. Allein schon darum wird einem leicht übel, wenn Trump den Enkel nun als ‘fine man’ bezeichnet, mit dem ‘excellent deals’ machen könne. Soll Nordkorea je ein normales Land werden, dann müssten Verantwortlichkeiten und Wiedergutmachung in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet werden.
Ein weiteres, vergessenes Problem menschenrechtlicher Prägung muss hier noch erwähnt werden. Während der Zeit japanischen Expansionismus’ in Asien waren zahlreiche nordkoreanische Zwangsarbeiter in Japan tätig, die mit dem Ende des zweiten Weltkrieges repatriiert wurden. Im Gegensatz zu anderen Opfern von Hiroshima und Nagasaki wurden ihre damaligen Leiden niemals anerkannt und noch weniger entschädigt.
Ein ganz anderes aber für eine friedliche Entwicklung in Asien zentrales Problem ist das in Nordkorea vorhandene Know-how von Raketentechnologie. Die nukleare Abrüstung ist ja nur ein Teil. Nuklearsprengköpfe müssen mit Raketen ans Ziel gebracht werden. Auch diese Seite muss beachtet werden, soll wirkliche Abrüstung Platz greifen. Wie im nuklearen Bereich besteht auch hier das Problem, dass Know-how in Köpfen der Raketenbauer weiterlebt.
Nach dem bekannten Bonmot ist ‘talk-talk’ immer besser als ‘shoot-shoot’. Das trifft auch für die koreanische Halbinsel zu. Die ‘Trump-Kim-Show’ in Singapur hat das erste nicht wirklich befördert, damit bleibt das zweite weiterhin möglich.
Picture: coolloud