Asiatischer Einkauf in die schweizerische Wirtschaft: Der geopolitische Hintergrund

Juli 11, 2018

Wenn chinesische Oligarchen schweizerische Firmeneinkäufe tätigen, steht Geopolitik  im Zentrum entsprechender Überlegungen, vorangetrieben durch ‘China Inc.’ Auch japanische Einkäufe haben einen geopolitischen Hintergrund, da Tokio sich als strategischen Konkurrenten und Gegner Chinas in Asien sieht.

‘China Inc.’ besteht, denn Chinas Wirtschaft verhält sich international wie EIN Unternehmen. Das damit weltgrösste Unternehmen kauft und verschafft sich international Einfluss und Zugang über staatliche, parastaatliche und vermeintlich privatwirtschaftliche Akteure. Dank den ungeheuren Finanzreserven, welche China als Industrieplatz der Welt aufgehäuft hat und die (noch) nicht von internem Konsum abgeschöpft werden.

Der Gemischtwarenladen HNA, ursprünglich eine südchinesische Regionalfluggesellschaft, machte in der Schweiz den Anfang. Angetrieben von chinesischen Bankenkrediten erwarb HNA zwischen 2015 und 2017 Swissport, Gategroup und SR Technics, ehemalige Blüten im Blumenstrauss der alten Swissair. Ebenso gut 20% von Dufry, der ehemaligen Weitnauer AG, einem in Basel ansässigen Betreiber von über 2000 Duty Free Geschäften weltweit. Seit einiger Zeit scheinen aber HNA’s Geldquellen in China zu versiegen. Nach erfolglosen Versuchen, seine schweizerischen Edelsteine am internationalen Geldmarkt mit IPO’s zu vergolden, befindet sich die Holding in grossen Finanznöten, steht doch international aufgenommenes Geld, darunter auch Kredite bei der UBS, zur Rückzahlung an.  Anfang Juli ist HNA’s Präsident Wang Jian beim Fotografieren zu Tode gestürzt.

Ein tragisches Schicksal, das er mit dem kürzlich verstorbenen Chen Xiaolu teilt, einem politisch vernetzten Ankerinvestor des ins finanzielle Schlingern geratenen chinesischen Grosskonzerns Anbang, der ebenfalls in den 2010er Jahren und mit ursprünglich rein chinesischen Bankkrediten auf internationalen Grosseinkauf ging, seither aber beim Regime in Ungnade gefallen ist.

Offizielle chinesische Lesart will, dass die Regierung überbordende Kreditnahme solcher Grosskonzernen eindämmen will. Dies lässt aber die Frage offen, warum davon einige betroffen sind, andere aber nicht, wie beispielsweise der chinesische Elektronikkonzern ZTE. Dieser hat unter dem politischen Schirm eines ‘deals’ zwischen Trump und Präsident Xi Jingpin in den USA wegen Embargoverletzungen zwar eine hohe Busse erhalten, soll und kann aber im Ausland offensichtlich weiter wachsen. Parallelen zu der ebenso diskriminatorisch angewandten Korruptionsbekämpfung durch das chinesische Regime sind offensichtlich.

Zurecht hohe Wellen geworfen hat in der Schweiz die Übernahme von Syngenta durch ChemChina, nachdem die stolze Saatgutnachfolgerin von Ciba, Geigy und Sandoz kurz zuvor eine Übernahme durch die amerikanische Montsanto noch abgewehrt hatte. Ende Juni wird nun bekannt, dass ChemChina mit ihrem grösseren chinesischen ‘Rivalen’ Sinochem fusioniert werden soll, auf politischen Wunsch von oben. Damit wird der Name Syngenta wohl in absehbarer Zeit verschwinden, wie auch der Standort Schweiz abbröckeln wird.

Das ist ‘China Inc.‘ am Werk. Sei es auf staatlicher Ebene, wie beispielsweise im Rahmen des gigantischen Infrastrukturvorhabens ‘BRI ‘ (Belt and Road Initiative, früher auch OBOR, One Belt, One Road Initiative), mit dem Eurasien als Ganzes erschlossen, und mit Afrika verbunden werden soll. Sei es via parastaatliche Unternehmen, allen voran die chinesischen Entwicklungsbanken und -fonds wie beispielsweise dem China Merchants Fund.  Dritte Säule sind vermeintlich private Unternehmen wie HNA. Allen drei ist gemeinsam, dass sie letztlich nicht kommerziellen, und auch nicht im weiteren Sinn wirtschaftlichen Kriterien gehorchen, sondern dem politischen Imperativ chinesischer Expansion untergeordnet sind.

Unter demselben Nenner ist die gegenwärtig überbordende chinesische Kreditvergabe im Balkan zu sehen, wo insbesondere die noch nicht der EU angehörenden Staaten Ex-Jugoslawiens (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro) sowie Albanien mit Geld überschüttet werden, um Beijing auch nach deren EU-Eintritt direkte Einflussnahme zu garantieren.

Anders, aber ebenfalls vor einem geopolitischen Hintergrund ist der kürzliche Versuch zu werten, als der japanische Elektronikkonzern mit dem  –  teilweise  –  irreführenden Namen SoftBank versuchte, sich gewichtig in die Swiss Re einzukaufen.  Tokio sieht mit wachsender Besorgnis, wie China sich militärisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell zum asiatischen Hegemon aufschwingt. Dem wird unter dem Siegel des strategischen Begriffs ‘Indo-Pazifik’ mit eigener Aufrüstung, politisch und sicherheitspolitisch mit dem sogenannten ‘Quad’ (USA, Japan, Indien und Australien) sowie wirtschaftlich mit Entwicklungshilfe und Expansion privater Mischkonzerne wie SoftBank begegnet. Ob die bekanntlich und jedenfalls im Moment fehlgeschlagene Verschränkung mit Swiss Re für beide Seiten wirtschaftliche Vorteile gebracht hätte, ist hier nicht Thema.

Wohl aber, dass SoftBank die für den Swiss Re Einkauf nicht benötigten Mittel nun in ein gigantisches Venture Capital Vehikel für neue Technologie namens Vision Fund gesteckt hat.  Mit Hilfe sehr namhafter Beiträge aus dem Golf, speziell von Saudi-Arabien, werden 100 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen, um weltweit digitale start-ups mit japanisch verwaltetem Geld zu fördern. Das darf durchaus auch als eine Art Antwort auf die chinesische BRI gesehen werden. High-Tech ist ja der Bereich, wo sich Japan zumindest in Asien seit Jahrzehnten als Nr. 1 sieht.

Dass China dies tatsächlich als Herausforderung begreift, beweist die seitherige Errichtung eines Funds mit ähnlicher Zielsetzung, wenn auch in finanziell kleinerem Rahmen, durch die bereits erwähnte China Merchants Group.  Dass in diesem zweiten Fund auch der Sohn von BlackRock Gründer Larry Fink  –  Chef des weltgrössten Finanzunternehmens im Nichtbanken-Sektor  –  eine Rolle spielt, ist eine ironische Umkehrung der ‘Princeling’-Politik, unter der bislang verstanden wurde, dass Kinder der Politoberen Chinas automatische Vorteile in der Wirtschaft des Landes genossen.

Zurück zu asiatischem Einkauf und Investitionen in der Schweiz. Statistisch fallen diese, zumindest aus China, noch nicht namhaft aus. Zudem begreift sich die Schweiz traditionell beim Kapitalfluss über Grenzen als ein von Kontrollen möglichst freies Land. In Zukunft wird aber zu beachten sein, dass ausländische Investitionen im Zeitalter des ‘asiatischen Jahrhunderts’ vermehrt auch strategische und politische Aspekte beinhalten. Chinesische Investitionen in der Schweiz sind nicht dasselbe wie die Übernahme der ‘Winterthur’ durch die französische AXA oder der SWISS durch die deutsche Lufthansa.